Monat: September 2023

Filialschließung – und was kommt dann – Comeback des Telefons als Vertriebskanal

Oft kommt sie schlei­chend und nahe­zu unbe­merkt, manch­mal mit einem Big Bang – die Schlie­ßung von Filia­len der klas­si­schen Uni­ver­sal­ban­ken im Bundesgebiet.

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Abbil­dung 1: Ent­wick­lung Anzahl Bank­fi­lia­len in Deutsch­land gemäß Bank­stel­len­be­richt der Bundesbank

Ver­schie­de­ne Ursa­chen kön­nen hier­für ver­ant­wort­lich sein. Seit Jah­ren bereits bau­en Spar­kas­sen, Genos­sen­schaf­ten und Groß­ban­ken ihre Fili­al­prä­senz deut­lich zurück. Vie­le der ehe­ma­li­gen Bera­tungs­punk­te wer­den aus Kos­ten­grün­den oder auf­grund nied­ri­ger Besuchs­fre­quenz in Selbst­be­die­nungs­stand­or­te umge­wan­delt oder ent­fal­len ganz. Die Com­merz­bank zum Bei­spiel wähl­te abwei­chend hier­von einen Big Bang Ansatz, in dem inner­halb eines sehr kur­zen Zeit­raums 2022 ein erheb­li­cher Anteil der bis­he­ri­gen Stand­or­te geschlos­sen oder nach der Coro­na-Pan­de­mie nicht wie­der geöff­net wur­de. An ihre Stel­le trat das Leis­tungs­an­ge­bot der Bera­tungs­cen­ter, über die den Kun­den Leis­tun­gen via Tele­fon und Video­kon­fe­renz in Kom­bi­na­ti­on mit Online-Leis­tun­gen offe­riert wurden.

Ein wei­te­res Phä­no­men ergänzt die­se Ver­än­de­rungs­ten­denz für die Kun­den vor allem im länd­li­chen Raum. Durch die hohe Zahl von Geld­au­to­ma­ten­spren­gun­gen kommt es zu einer Reduk­ti­on des Ange­bots an Selbst­be­die­nungs­stand­or­ten, weil die Kos­ten für die Wie­der­her­stel­lung oder Absi­che­rungs­maß­nah­men immens gestie­gen sind.

Was heißt das für den Kunden?

Geleb­te Gewohn­hei­ten im Zugang zu Bank­dienst­leis­tun­gen ver­än­dern sich. Das Gespräch mit einem Bera­ter der Bank bedarf einer expli­zi­ten Ter­min­ver­ein­ba­rung und einer Fahrt zum jewei­li­gen Stand­ort. Die Bedeu­tung von Selbst­be­die­nungs­an­ge­bo­ten am Auto­ma­ten oder via Online-Ban­king nimmt deut­lich zu, da nur noch die­se Kanä­le für die Durch­füh­rung von Trans­ak­tio­nen zur Ver­fü­gung ste­hen. Je nach Ange­bot des Insti­tuts steht alter­na­tiv ein Bera­ter via Tele­fon oder mul­ti­me­di­al zur Verfügung.

Die­se Ent­wick­lung ist für den Kun­den nicht über­ra­schend, aber inzwi­schen sind die Ver­än­de­run­gen für jeden spür­bar und erfor­dern eine ver­stärk­te Anpas­sung des Nutzungs­verhaltens von Bankdienstleistungen.

Was heißt das für die Bank?

Die Auf­ge­schlos­sen­heit der Kun­den für die Nut­zung media­ler Kanä­le wächst und erleich­tert den Kre­dit­in­sti­tu­ten den Abbau sta­tio­nä­rer Ange­bo­te. Gemäß Daten von Sta­tis­ta stieg der Anteil der Online-Ban­king Nut­zer in den Jah­ren von 2014 bis 2023 von 53 % auf 76 %. Selbst in der Alters­grup­pe der Senio­ren nut­zen inzwi­schen nahe­zu 50 % der Bank­kun­den das Online-Ange­bot. Ist damit der Switch vom sta­tio­nä­ren zum media­len Ange­bot für die Ban­ken ein Erfolgs­mo­dell? Aus mei­ner Sicht wäre die­se Ein­schät­zung trü­ge­risch und gefährlich.

Kri­ti­k­ali­tät der Entwicklung

Vie­le Fili­al­stand­or­te haben vor ihrer Schlie­ßung pri­mär ein Ser­vice­an­ge­bot und nur stan­dar­di­sier­te Bera­tungs­leis­tun­gen offe­riert, so dass durch den Wech­sel auf Selbst­be­die­nung oder media­les Ange­bot, eine Ver­än­de­rung durch den Kun­den als akzep­ta­bel emp­fun­den wurde.

Kri­ti­scher ist jedoch, dass vie­le Infor­ma­tio­nen aus dem unmit­tel­ba­ren Kun­den­kon­takt nicht mehr in der Bank vor­lie­gen, und in Form eines Cus­to­mer Rela­ti­onship Manage­ment genutzt wer­den kön­nen. Damit ein­her gehen drei kri­ti­sche Entwicklungen:

  • Die inhalt­li­che Dif­fe­ren­zier­bar­keit der Bank von Anbie­tern aus dem Fin­Tech-Umfeld nimmt ab
  • Kon­di­tio­nen bekom­men eine stär­ke­re Bedeu­tung bei der Ent­schei­dung des Kun­den für einen Anbieter
  • Die Loya­li­tät des Kun­den für sei­ne Bank nimmt ste­tig wei­ter ab

Das ist grund­sätz­lich nicht neu. Inter­es­sant ist aber Fol­gen­des: Trotz hoher Bereit­schaft zur Nut­zung media­ler Kanä­le, deu­ten die in den letz­ten Wochen auf­ge­tre­te­nen Schlan­gen vor den ver­blie­be­nen Filia­len der Com­merz­bank dar­auf hin, dass es Anfor­de­run­gen gibt, die durch die neue Struk­tur der Bera­tungs­cen­ter bis­her nur unzu­rei­chend abge­bil­det werden.

Hand­lungs­er­for­der­nis­se für die Bank

Die Ent­schei­dung einer Bank, statt sta­tio­nä­rer Leis­tungs­an­ge­bo­te aus­schließ­lich auf Selbst­be­die­nung oder Online-Ange­bo­te zu set­zen, ist nach unse­rer Ein­schät­zung kein erfolg­ver­spre­chen­des Modell. Auch der inzwi­schen ver­brei­te­te Ein­satz von Ava­ta­ren oder Robo-Advi­sor-Ange­bo­ten greift hier zu kurz.

Durch die fort­schrei­ten­de tech­ni­sche Ent­wick­lung erfährt statt­des­sen ein ande­res Medi­um eine Renais­sance – das Tele­fon. Die Mög­lich­kei­ten eines Leis­tungs­an­ge­bo­tes gehen weit über das hin­aus, was frü­her als Call-Cen­ter oder Com­mu­ni­ca­ti­on-Cen­ter bezeich­net wurde.

Bereits Ende der Neun­zi­ger­jah­re zeig­te die Advan­ce Bank, wel­che Mög­lich­kei­ten in der Bera­tung via Tele­fon ste­cken. Ver­mö­gens­be­ra­tung, Ver­trieb geschlos­se­ner Fonds, Bau­fi­nan­zie­rungs­an­ge­bo­te (in Tei­len sogar in Kom­bi­na­ti­on mit Online-Funk­tio­nen) wur­den den Kun­den damals offe­riert. Die damals damit noch ver­bun­de­nen Kos­ten ver­hin­der­ten einen lang­fris­ti­gen Erfolg die­ses Ansatzes.

Der Ansatz der Bera­tungs­cen­ter der Com­merz­bank greift vie­le die­ser The­men wie­der auf, und bie­tet über das Tele­fon ein brei­tes Spek­trum von Ser­vice­leis­tun­gen bis hin zu spe­zia­li­sier­ten Bera­tungs­leis­tun­gen im Kon­text Wert­pa­pier und Finan­zie­rung an.

Ein der­ar­ti­ges Ange­bot erfor­dert jedoch Vor­aus­set­zun­gen in drei Handlungsfeldern:

  1. Hohe tech­ni­sche Inte­gra­ti­on der Kom­po­nen­ten der Kernbankplattform
  2. Tech­ni­sche Aus­stat­tung des Arbeits­plat­zes im Hin­blick auf Infor­ma­ti­on, Kommuni­kation und Dokumentation
  3. Spe­zi­fi­sche Qua­li­fi­ka­ti­on der Bera­te­rin­nen und Bera­ter für die Bera­tung via Telefon

Zu 1. Tech­ni­sche Integration

Die für die Erbrin­gung von Ser­vice- und Bera­tungs­leis­tun­gen erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen müs­sen in einer Ober­flä­che gebün­delt sein. Ein Zusam­men­tra­gen erfor­der­li­cher Infor­ma­tio­nen aus unter­schied­li­chen Anwen­dungs­sys­te­men wäh­rend eines Kunden­gesprächs ist zu ver­mei­den. Glei­ches gilt für die Nut­zung von Work­flow-Kom­po­nen­ten. Bera­tungs­un­ter­stüt­zung und Wei­ter­ga­be von Bearbeitungs­aufträgen sowie regu­la­to­rik­kon­for­me Doku­men­ta­ti­on des Bera­tungs­ge­sprächs müs­sen ohne Sys­tem­wech­sel mög­lich sein. Andern­falls wird die Qua­li­tät der Ser­vice- oder Bera­tungs­leis­tung dem Kun­den gegen­über deut­lich beein­träch­tigt. Vie­le Ban­ken haben die­se Inte­gra­ti­on heu­te nicht. In der Erbrin­gung von Leis­tun­gen im sta­tio­nä­ren Ver­trieb war die Bedeu­tung die­ser Inte­gra­ti­on deut­lich geringer.

Zu 2. Arbeitsplatzausstattung

Alle erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen zum Kun­den müs­sen am Arbeits­platz des Bera­ters zusam­men­lau­fen. Ver­ein­ba­run­gen mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus vor­an­ge­gan­ge­nen Gesprä­chen zäh­len hier eben­so dazu, wie Infor­ma­tio­nen zu erfolg­ten Online-Akti­vi­tä­ten des Kun­den oder zu Besu­chen im sta­tio­nä­ren Ver­trieb. Ohne die­se Infor­ma­ti­ons­ba­sis ist eine per­so­nen­un­ab­hän­gi­ge Leis­tungs­er­brin­gung nicht darstellbar.

Hin­zu kommt neben einer geeig­ne­ten Tele­fo­nie auch die erfor­der­li­che akus­ti­sche Ruhe am Arbeits­platz. Wäh­rend eines ver­trau­li­chen, tele­fo­ni­schen Bera­tungs­ge­sprächs darf für den Kun­den kein „kom­mu­ni­ka­ti­ves Grund­rau­schen“ aus par­al­lel­lau­fen­den Kunden­gesprächen ver­nehm­bar sein. Eben­so sind die Arbeits­plät­ze für die Durch­füh­rung von Videobe­ratun­gen aus­zu­stat­ten. Die­se Aus­stat­tung endet nicht bei der Aus­wahl einer Soft­ware. Viel­mehr dür­fen kei­ne Per­so­nen durch das Bild der Video­kon­fe­renz lau­fen oder Spie­ge­lun­gen von Bild­schir­men ande­rer Bera­ter für den Kun­den sicht­bar sein.

Nach­ste­hen­de Abbil­dung fasst wesent­li­che Aspek­te der Punk­te „tech­ni­sche Inte­gra­ti­on” und „Arbeits­platz­aus­stat­tung” zusammen:

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Abbil­dung 2: Tech­ni­sche Inte­gra­ti­on und Arbeitsplatzausstattung

Zu 3. Qualifikationsbedarf

Die Qua­li­fi­ka­ti­on eines erfolg­rei­chen Ban­kers im sta­tio­nä­ren Ver­trieb ist eine gute Vor­aus­set­zung für eine Fort­füh­rung des Erfolgs mit­tels Tele­fon oder Video-Chat. Aus­rei­chend allein ist sie jedoch nicht.

Die unmit­tel­ba­re Inter­ak­ti­on mit dem Kun­den via Tele­fon, die sich weder auf­hal­ten noch unter­bre­chen lässt, stellt ergän­zen­de Anfor­de­run­gen in Punk­to Kom­mu­ni­ka­ti­on, Kon­flikt­ma­nage­ment oder Abschluss­ori­en­tie­rung. Non­ver­ba­le Infor­ma­tio­nen des Kun­den im Gespräch feh­len oder sind über den Video­ka­nal anders als in einem Face-to-Face-Gespräch.

Hin­zu kommt eine deut­lich erhöh­te Tak­tung der Gesprä­che, nicht nur im Ser­vice­um­feld, son­dern auch in der qua­li­fi­zier­ten Bera­tung. In der Vor­be­rei­tung unter­las­se­ne Akti­vi­tä­ten las­sen sich im Gespräch kaum nach­ho­len. Noch ein­mal ande­re Anfor­de­run­gen zur Tak­tung stel­len sich aus Out­bound-Calls. Hier ist grund­sätz­lich zu über­le­gen, ob die glei­chen Per­so­nen In- und Out­bound telefonieren.

Abschlie­ßend besteht in vie­len Fäl­len ein Unter­schied in der per­sön­lich emp­fun­de­nen Wer­tig­keit des Kun­den­kon­takts via Tele­fon im Ver­gleich zum sta­tio­nä­ren Ver­trieb. Hier­für besteht kein Grund, den­noch ist die­se Emp­fin­dung immer wie­der festzustellen. 

Per­spek­ti­ven zur Weiterentwicklung

Im Rah­men der tech­ni­schen Inte­gra­ti­on ist es von hoher Bedeu­tung, dass End-to-End-Pro­zes­se in ihren Pro­zess­be­stand­tei­len an unter­schied­li­chen Stel­len bear­bei­tet wer­den kön­nen. Waren sta­tio­nä­re Stand­or­te der Ban­ken oft auch dadurch gekenn­zeich­net, dass in ihnen in Tei­len Back­of­fice-Tätig­kei­ten durch­ge­führt wur­den, so ist die­ses im Rah­men des tele­fo­ni­schen Kun­den­kon­tak­tes nur noch ganz rudi­men­tär mög­lich, z. B. bei Adressänderungen.

Je inte­grier­ter die Work­flow-Unter­stüt­zung in der Pro­zess­be­ar­bei­tung ist, umso fle­xi­bler las­sen sich die Pro­zes­s­tei­le auf­split­ten. Die­ses ermög­licht bei­spiels­wei­se die organisa­torische Aus­glie­de­rung von Leis­tun­gen in Ser­vice­ge­sell­schaf­ten. Aus Kos­ten­grün­den bie­ten die­se ihre Leis­tun­gen nicht mehr nur obli­ga­to­risch in Deutsch­land an, son­dern auch an aus­län­di­schen Stand­or­ten. Hier­aus erge­ben sich für die Ban­ken neue Mög­lich­kei­ten, stan­dar­di­sier­te Back­of­fice-Pro­zes­se kos­ten­güns­tig abzubilden.

ban­kon unter­stützt Groß- und Lan­des­ban­ken, Spar­kas­sen und Genos­sen­schafts­ban­ken bei der Neu­strukturierung ihrer Ver­triebs­ka­nä­le. Lang­jäh­ri­ge Pra­xis­er­fah­rung ermög­licht ban­kon, gemein­sam mit den Kun­den das für den jewei­li­gen Ver­triebs­ka­nal geeig­ne­te Pro­dukt- und Leis­tungs­spek­trum zu defi­nie­ren. Basis ist die Erkennt­nis, dass das Leis­tungs­an­ge­bot sehr eng mit den eta­blier­ten Pro­zes­sen sowie mit deren tech­ni­scher Basis zusam­men­spielt und nur in einem ganz­heit­li­chen Ansatz kon­zi­piert wer­den kann. Bank­fach­li­che und pro­zes­sua­le Kennt­nis­se ermög­li­chen es den ban­kon-Bera­tern, erfor­der­li­che Anpas­sun­gen an den End-to-End-Pro­zes­sen vor­zu­neh­men, erfor­der­li­che Über­gangs­pro­zes­se zu kon­zi­pie­ren und je Ver­triebs­ka­nal ein opti­ma­les Pro­dukt-Pro­zess-Port­fo­lio zu spezifizieren. 

Dar­über hin­aus ver­fügt ban­kon über lang­jäh­ri­ge Erfah­rung in der regu­la­to­rik­kon­for­men Aus­la­ge­rung von Back­of­fice-Pro­zes­sen inner­halb Deutsch­lands sowie an ver­schie­de­ne, rele­van­te Anbie­ter von Leis­tun­gen im Near- oder Offshoring. 

Pro­fi­tie­ren Sie von der lang­jäh­ri­gen Exper­ti­se unse­rer ban­kon Bera­ter in der Gestal­tung kanal-über­grei­fen­der, erfolg­rei­cher Ver­triebs- und Backoffice-Prozesse.