Am 2. September las ich einen interessanten Artikel zum Thema „IT-Skills im Banking”. Der eingängige Titel lautet:
„If you want a banking job now, you need to code in Python”
Mia Holmes, https://www.efinancialcareers.com/news/2021/08/python-for-banking-jobs, 1. August 2021
Die Autorin schrieb darin über den Wandel der Anforderungen an Mitarbeiter in Banken: „Weg von Excel – hin zu Python”. Gut: ob nun Python das künftige Analysetool ist oder nicht sei dahingestellt. Die Botschaft halte ich jedoch für valide.
Die Anforderungen an die Mitarbeiter im Finanzdienstleistungssektor in Bezug auf IT-Kenntnisse werden und müssen steigen!
Der Artikel brachte mich dazu, über das Thema weiter nachzudenken, weil es mich bereits seit längerem bewegte. Einige Leserinnen und Leser aus dem Kreis meiner Kunden wissen das, da wir bereits gemeinsam darüber philosophierten 😉
Ein kleiner Rückblick sei gestattet: Als ich im September 1994 meine Banklehre begann, war die Welt noch „in Ordnung”:
- Papier soweit das Auge reichte
- Terminals zur Online-Abfrage von Konten und Kunden
- Eine Erfassungsmöglichkeit für Konten, usw.
- Das zentrale Instrument „Schreibmaschine”
Am Ende meiner Ausbildung stieg ich in die neu gegründete Abteilung „Electronic Banking” ein: Wir waren ein Team von anfangs zwei Leuten. Mein Chef (22 Jahre) und ich (21). Außer einigen Mitarbeitern in der Abteilung Organisation wusste so gut wie niemand, was wir da trieben. Und wir hatten bereits E‑Mail und Internet! 🙂
Nun – die Zeiten haben sich gewandelt. Inzwischen ist so ziemlich jedem klar, dass die IT neben der Ressource „Mensch” der wichtigste Produktionsfaktor der Bank ist. Ja – ich gehe so weit zu behaupten: Banken sind faktisch IT-Unternehmen! Folglich liegt es doch nahe, dass vielleicht abgesehen vom direkten Kundenvertrieb in nahezu allen Tätigkeitsbereichen der Bank Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen benötigt werden. Und damit meine ich nicht, Excel benutzen zu können, auch wenn es hier noch großen Nachholbedarf gäbe (nicht nur bei Banken und Sparkassen). Wenn wir über Zukunftsthemen – nein – aktuelle Themen wie „Machine Learning” und „Data-Science” reden, sollten wir uns ehrlich fragen: Wer in den Banken und Sparkassen kennt sich denn heute wirklich mit diesen Themen aus, kann sie auch anwenden, geschweige denn beherrschen?
- Akquisition: Die klassische Zielgruppenselektion hat ausgedient. Gute Produktempfehlungen erfordern Data-Science-basierte Ansätze und den Einsatz von KI
- Kreditentscheidungen: KI’s werden künftig einfach besser sein als jeder Mensch, wenn es um Bilanzanalysen geht
- Kontrollhandlungen im Backoffice: Lassen sich kostengünstiger und in besserer Qualität maschinell abwickeln
- Fraud Detection: Datensätze fernab vorab festgelegter Muster klassifizieren und so Risiken schneller erkennen
Die Liste ließe sich noch eine Weile fortsetzen, das haben jedoch schon Andere getan. Seien wir ehrlich: Da ist die Luft sehr dünn. Im Bereich der Geldautomatenüberwachung und Fraud Detection entwickeln Spezialisten schon entsprechende Lösungen. Jedoch stecken viele Projekte derzeit noch in den Kinderschuhen und erst recht bei wirklich spannenden Themen wie der Frage, wie Kundenbedürfnisse und damit Verkaufschancen wirklich besser erkannt werden können, wird die Luft wirklich dünn.
Es genügt also nicht, sich als Bank bzw. Sparkasse darauf zu verlassen, dass der Markt schon „irgendwann” entsprechende Lösungen anbietet, die dann „schlüsselfertig” eingebaut bzw. genutzt werden können. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt stehen diese Lösungen dann auch dem Wettbewerb zur Verfügung!
Nein, die Lösung muss lauten: Jetzt selbst aktiv werden!
- Eine eigene Mannschaft aufbauen und „frische Köpfe” herein holen
- Dem Team entsprechende Tools und Plattformen im eigenen Haus zur Verfügung stellen
- Testbestände auf Basis der vorhandenen Daten aufbauen und absichern
- Aus Schlagworten endlich konkrete Ideen entwickeln und zügig verproben
- Konsequente Integration der Lösungen in die vorhandene Systemlandschaft
Aufbau einer eigenen Mannschaft
Ausgehend von meiner Einleitung müssen Kreditinstitute also endlich beginnen, sich als IT-Unternehmen zu betrachten. Dazu gehört neben der Fortbildung der vorhandenen Mitarbeiter vor allem, IT-Experten einzustellen und zu integrieren. Und natürlich bedeutet das auch, diesen Menschen entsprechende Arbeitsbedingungen zu bieten.
Tipp: junge Menschen lassen sich mit Prozessen, Arbeitsanweisungen und Vorschriften wie „Reisekostenabrechnung mit dreifacher Unterschrift der Vorgesetzten, des Papstes und der eigenen Mutter” richtig toll motivieren 😉
Tools und Entwicklungplattformen
Vor allem Sparkassen und Volksbanken sind hier an einem Punkt, der erhebliches Know-how und Durchsetzungsvermögen der Beteiligten erfordert. Sind überhaupt adäquate Testumgebungen vorhanden? Wer betreibt diese? Wie sind sie abgesichert und wie schnell können sie an neue Anforderungen angepasst werden? Hier ist das Management gefragt, die Teams bei der Beschaffung der Ressourcen zu unterstützen und entsprechende Anforderungen auch bei den IT-Dienstleistern zu vertreten.
Weiterhin müssen Big-Data-taugliche Datenbanksysteme beschafft und Entwicklungstools bereitgestellt werden. Die Entwickler benötigen ausreichend Freiraum, um Bibliotheken selbstständig nachzuinstallieren. Das Institut muss dabei selbstverständlich in der Lage sein, die daraus entstehenden Risiken zu managen. Auch hier ist es erforderlich, entsprechende Expertise im Haus zu haben:
- Fachleute für Systemsicherheit
- Data-Scientists
- Datenbankexperten
- Fachleute für Systemintegration
Testbestände aufbauen
Was ist das wichtigste Asset der Banken und Sparkassen? Das Vertrauen der Kunden!
Von regulatorischen Anforderungen einmal abgesehen sollte es selbstverständlich sein, dass der Schutz der Datenbestände des Instituts oberste Priorität hat und dementsprechend erfordert der Aufbau brauchbarer anonymisierter Testbestände Expertenwissen und kann nicht „nebenbei” geschehen. Notwendig sind hier Fachleute im Bereich:
- Testmanagement und
- Systemsicherheit
Entwicklung konkreter Ideen
Um sinnvolle Lösungen zu finden müssen Produktentwickler der Bank und IT-Fachleute zusammenarbeiten. Und natürlich auch den Endkunden einbeziehen. Zum Thema „Kundenorientierung” und „Design Thinking” wurde wahrhaftig schon viel publiziert und sinniert. Ich vermeide jetzt einfach mal bewusst, irgendein Zitat von Steve Jobs einzubauen 😉 . Unbestritten ist, dass agile Entwicklungsprozesse hier helfen und zwingend einzusetzen sind, um nicht „am Kunden vorbei” zu laborieren.
- Experten für Produktinnovation
- Bankfachliche Wissensträger
- Mitarbeiter mit entsprechenden Skills in agilen Methoden und „Soft Skills” zur Steuerung dieser heterogenen Teams
Konsequente Integration der Lösungen
Zu guter Letzt muss auch geplant sein, wie eine fertige Lösung in die hauseigenen Prozesse und Systemlandschaft integriert werden kann.
Nach ausgiebigen Tests, einer IT-Sicherheitsprüfung, Prüfungen von Datenschutzbelangen usw. müssen Produktionssysteme aufgebaut und betrieben werden. Auch hier kann die Komplexität sehr unterschiedlich sein: Im einfachsten Fall werden Daten manuell zum Beispiel für Kampagnen in separate Tools überführt, ausgewertet und das Ergebnis in die vorhandenen Kampagnenwerkzeuge der Bank importiert. Bei Anwendungsszenarien, die regelmäßige automatische Verarbeitungen von Produktionsdaten vorsehen, sind Verarbeitungspipelines zu implementieren und zu betreuen. Auch hier sind Fachleute mit IT-Kenntnissen und Kenntnissen in der Regulatorik notwendig:
- Fachkräfte in den Bereichen
- IT-Sicherheit und Datenschutz
- Systemintegration
- Anwendungsbetrieb/Application Management und/oder Providersteuerung
Fazit
Will sich eine Bank oder Sparkasse ernsthaft der Zukunft stellen und neue, innovative Ansätze entwickeln, muss dem Management klar sein, dass ein völlig neuer Typus von Mitarbeitern erforderlich ist.
- Die Rekrutierung von Mitarbeitern erfordert auch Erfahrung, erweiterte Expertise im Personalwesen
- Es reicht nicht, allein auf die eigenen bewährten IT-Dienstleister zu warten
- Kleinere Institute sollten Kooperationen innerhalb der eigenen Institutsgruppe eingehen/aufbauen wenn klar ist, dass sie selbst nicht die ausreichende Größe besitzen, um diese Herausforderungen allein zu meistern
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