Corporate Treasury im Wandel – Zwischen Digitalisierung, Regulierung und strategischer Neuausrichtung

Das Corporate Treasury befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderungen. Globale Krisen, volatile Märkte, steigende Zinsen und geopolitische Unsicherheiten fordern von Unternehmen mehr denn je eine vorausschauende, flexible und technologiegestützte Finanzsteuerung. Gleichzeitig verändern neue digitale Tools, regulatorische Anforderungen und ESG-Kriterien die Anforderungen an Treasury-Abteilungen grundlegend.

Wo früher die reine Liquiditätssicherung und das Cash Management im Vordergrund standen, gewinnt heute die Rolle des Treasurers als strategischer Partner im Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Moderne Treasury-Funktionen entwickeln sich zu datengetriebenen, agilen Organisationseinheiten, die aktiv zur Wertschöpfung beitragen und zentrale Impulse für die Unternehmensstrategie liefern.

In diesem Artikel beleuchten wir die zentralen Treiber des Wandels, zeigen auf, wie Unternehmen darauf reagieren, wohin die Reise für das Corporate Treasury der Zukunft geht und vor allem, was dies für die Bankenwelt bedeutet.

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Treiber des Wandels im Corporate Treasury
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Technologischer Fortschritt und Digitalisierung

Die Digitalisierung treibt Veränderungen mit hoher Geschwindigkeit voran. Cloud-basierte Treasury-Management-Systeme (TMS), API-Schnittstellen, Künstliche Intelligenz und Automatisierung ermöglichen ein bisher nicht gekanntes Maß an Transparenz, Effizienz und Echtzeitfähigkeit. Gleichzeitig bringt die Vielzahl neuer Technologien eine gewisse Fragmentierung mit sich: Viele Unternehmen sehen sich mit einem Flickenteppich an Systemlösungen konfrontiert, die nicht durchgängig integriert sind – was Prozesse verkomplizieren, und Risiken erhöhen kann.

Herausforderungen durch globale Fragmentierung

Die geopolitische und wirtschaftliche Fragmentierung verschärft sich. Handelskonflikte, Sanktionen, unterschiedliche regulatorische Anforderungen in einzelnen Märkten sowie währungspolitische Unsicherheiten stellen Treasury-Teams weltweit vor große Herausforderungen. Multinationale Konzerne müssen ihre Treasury-Strategien zunehmend regional differenziert aufsetzen und gleichzeitig global konsistente Standards gewährleisten – ein Spagat, der nicht immer gelingt.

Regulatorischer Druck und ESG-Anforderungen

Die Anforderungen an Transparenz und Compliance steigen kontinuierlich. Neue ESG-Regularien (z. B. CSRD), verschärfte Berichtspflichten sowie die zunehmende Notwendigkeit, Nachhaltigkeitsaspekte auch im Finanzbereich abzubilden, verändern das Rollenverständnis im Treasury grundlegend. Das Risikomanagement muss nicht nur finanzielle, sondern auch nicht-finanzielle Risiken stärker berücksichtigen. Treasury wird damit zum Enabler nachhaltiger Finanzstrategien.

Technologische Innovationen im Treasury: Mehr Effizienz durch Integration und Automatisierung

Die fortschreitende Digitalisierung eröffnet dem Corporate Treasury heute Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch Zukunftsmusik waren. Ziel ist es, Komplexität zu reduzieren, Transparenz zu erhöhen und Kapazitäten für strategische Aufgaben zu schaffen. Dabei spielen mehrere technologische Entwicklungen eine zentrale Rolle:

  • Virtuelle Konten (VAM – Virtual Account Management)

Virtuelle Konten ermöglichen eine klare Trennung und Zuordnung von Zahlungsströmen, ohne dass für jede Organisationseinheit ein physisches Bankkonto erforderlich ist. Mit VAM können Unternehmen ihre internen Buchungsprozesse verschlanken, den Abstimmungsaufwand reduzieren und gleichzeitig ein zentrales Cash Management aufbauen. Besonders in Konzernen mit vielen Tochtergesellschaften ist dies ein echter Effizienztreiber. Anbieter sind hier u. a. Häuser wie JP Morgan Chase, ING oder Deutsche Bank.

  • API-Schnittstellen für Echtzeitintegration

Moderne Treasury-Management-Systeme (TMS) profitieren zunehmend von offenen API-Strukturen. Über API-Schnittstellen lassen sich Bankdaten, Zahlungsinformationen, FX-Raten oder Marktdaten in Echtzeit in das TMS integrieren. Dies ermöglicht nicht nur eine aktuelle Liquiditätsübersicht, sondern auch eine sofortige Reaktion auf Marktbewegungen – eine zentrale Voraussetzung für dynamisches Risikomanagement.

  • Reduktion und Konsolidierung von Bankverbindungen

Viele Unternehmen verfolgen mittlerweile aktiv die Strategie, ihre Bankbeziehungen zu konsolidieren. Durch die Integration zentraler Zahlungsplattformen und Multibankfähiger Tools können Treasury-Abteilungen den administrativen Aufwand deutlich reduzieren. Gleichzeitig sinken die Kosten durch standardisierte Prozesse, einheitliche Formate (z. B. ISO 20022) und weniger Schnittstellen zu verschiedenen Banken.

  • Cloud-basierte TMS-Lösungen

Die Verlagerung des Treasury-Managements in die Cloud bringt nicht nur Flexibilität, sondern auch bessere Skalierbarkeit und kürzere Implementierungszeiten. Updates und Erweiterungen erfolgen schneller, was eine kontinuierliche Weiterentwicklung ermöglicht – wichtig in einer Zeit, in der sich regulatorische und technologische Anforderungen ständig verändern.

 

Bei der geschäftspolitischen Variante „Reduktion von Bankbeziehungen“, z. B. im Kontext VAM, gilt es allerdings einiges zu beachten und sorgfältig abzuwägen. Dazu einige Überlegungen in der nachfolgenden Tabelle:

Vorteile (Pro) Nachteile / Risiken (Contra)
Zentrale Steuerung: Bessere Übersicht über Cashflows und Kontobewegungen in Echtzeit Konzentrationsrisiko: Abhängigkeit von der Stabilität und Zuverlässigkeit einer einzigen Bank
Effizienz: Vereinfachter Zahlungsverkehr, automatisierte Buchung durch virtuelle Konten Operationales Risiko: IT-Ausfälle, Cyberangriffe oder Fehlfunktionen können alles blockieren
Kosteneinsparung: Reduzierung der physischen Kontenanzahl senkt Bankgebühren und Verwaltungsaufwand Weniger Verhandlungsmacht: Bank gewinnt an Einfluss, schwierigerer Anbieterwechsel
Einfache Intercompany-Abstimmung: Leichte Zuordnung von Transaktionen bei vielen Tochtergesellschaften Regulatorisches Risiko: Gesetzesänderungen im Sitzland der Bank könnten Auswirkungen auf die Struktur haben
Skalierbarkeit: Schnelle Anpassung an neue Einheiten/Märkte Migrationsrisiko: Wechsel der Bank (z. B. wegen besserer Konditionen) ist technisch und organisatorisch aufwändig

 

Die Bank als strategischer Partner im Corporate Treasury

Im Ergebnis zeigt sich Technologie als Enabler strategischer Treasury-Arbeit, ist aber kein Selbstzweck, sondern gezieltes Werkzeug zur Effizienzsteigerung und strategischen Neuausrichtung. Der Treiber ist klar: Treasury soll nicht nur verwalten, sondern vorausschauend steuern.

Für Banken, die diese Entwicklungen und Anforderungen konsequent unterstützen möchten, eröffnen sich neue Potenziale in der weiteren Vertiefung und der Etablierung neuer nachhaltiger Kundenbeziehungen durch eine erkennbare Differenzierung im Wettbewerb. Gem. einer kürzlich veröffentlichten Studie der Citi Advisory Group[1] zur Frage „Welche technologischen Innovationen im Treasury in den nächsten 3-5 Jahren den größten Einfluss haben werden“, lag der Fortschritt in Daten-Strategien im Kontext Datensammlung/-verdichtung, Data-Mining und -Visualisierung zur besseren Entscheidungsfindung an erster Stelle, gefolgt vom Wunsch nach noch besserer Real-Time-Datenversorgung inkl. Instant Payments und Dateninformation/Datenübertragung  via APIs.

Die letztjährige Umfrage der European Association of Corporate Treasurers bestätigt diese Findings und unterstreicht zudem, dass die Fragmentierung und Anzahl von IT-Systemen sowie die Menge an Bank-/Kontoverbindungen das Leben im Treasury aktuell verkompliziert. KI und Digitalisierung werden erst im weiteren Ranking genannt, sind aber für die kommenden Jahre auch weit oben auf der Agenda.[2]

Die Bedeutung für unsere Banken ist, dass gemeinsam mit IT-Dienstleistern, Softwareunternehmen und FinTechs an zukunftsweisenden Lösungen zu Treasury-Prozessen und -Systemen gearbeitet werden sollte, um im Wettbewerb der Banken um Corporate Kunden mit vorne dabei zu sein. Wir begleiten Sie gerne auf diesem Weg.

[1] Source: Citi Client Advisory Group, Client Survey, August 2024.

[2] Source: EACT Treasury Survey 2024.

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